Haben wir die Wahl?

Ein Beitrag von Siempre*Antifa

Unsere Gesellschaft krankt an vielerlei Problemen. Auf diese Probleme, mit denen wir uns täglich konfrontiert sehen, versuchen die Parteien dem Anschein nach einzugehen. Sie erzeugen das Bild, dass sie die Interessen der Bevölkerung auf ihre Tagesordnung setzen. So werden vielfältig Themen wie soziale Gerechtigkeit, Gleichheit, Sicherheit und Freiheit angesprochen. Aber ist dies ihr eigentliches Anliegen? Lassen sich diese Forderungen überhaupt verwirklichen, und wenn ja, wie?

Arbeit und Arbeitslosigkeit

Im Zuge der Hartz-Gesetzgebung wurde eine drastische Verschlechterung der Lebenssituation arbeitsloser Menschen durchgesetzt. Das Resultat hier sind Konkurrenzdruck und massive Armut mitten in einer der reichsten Länder der Welt. In kapitalistischen Gesellschaften ist längst ein Segment dauerhafter fester Arbeitslosigkeit entstanden. Diese Tatsache, dass überflüssige Arbeitskraft vorhanden ist, kann auch durch statistische Tricks nicht kaschiert werden. Dies ist so, weil immer mehr Tätigkeiten von Maschinen übernommen werden. Eigentlich eine gute Sache, weniger Arbeit für die Menschen mit demselben Ergebnis.

Aber:

Im Kapitalismus fällt, wer seine/ihre Arbeit verliert, in die Armut, was zugleich Ausgrenzung bedeutet. Während die einen ein prekäres Leben führen müssen und keine Perspektive mehr haben, müssen die Menschen, die Arbeit haben immer mehr leisten. Das heißt, eine längere Lebensarbeitszeit, eine Verdichtung und Intensivierung der Arbeitsleistung und eine tendenzielle Aufhebung von Arbeitszeit und Freizeit. Unsere Arbeitskraft wird ausgebeutet, da der gezahlte Lohn niemals dem Gegenwert der geleisteten Arbeitszeit entspricht, sondern nur den Unternehmer bereichert. Hinzu kommen unsichere Arbeitsverhältnisse wie Leiharbeit, Zeitarbeit und Mini-Jobs. Die kapitalistische Wirtschaftsweise kann den eigenen technischen Fortschritt also nicht im Sinne der Menschheit anwenden, uns nicht ein Weniger an Arbeit ohne Armut bei gleichzeitiger Bedarfsdeckung garantieren.

Umwelt

Für das Überleben der Menschheit ist es notwendig, dass wir nachhaltig wirtschaften, der Erde nicht mehr entnehmen, als wir regenerieren können und ihr keinen irreparablen Schaden zufügen. Eine Wirtschaftsweise aber, die Profit über alles stellt, kann nicht nachhaltig sein. Im Gegenteil ist sie äußerst kurzsichtig: Profitmaximierung hier und heute um jeden Preis. So sind es Unternehmen wie die großen Energieproduzenten, die durch den Braunkohleabbau in Deutschland weitaus mehr CO2 produzieren als die Gesamtheit aller Dieselfahrzeuge. Es sind Pharma-Unternehmen, die durch ihre Abwasserentsorgung immer noch das Grundwasser vergiften oder aber die zur Rohstoffgewinnung ganze Regenwälder abholzen lassen. Ob es nun die Überfischung der Weltmeere oder die Vergiftung asiatischer Flüsse durch die Textilindustrie ist, es liegen ihnen die gleichen kapitalistisch motivierten Mechanismen zugrunde. Letztlich ist der Widerspruch zwischen Kapital und Natur nicht aufhebbar, sonst würden weltweit nicht die natürlichen Lebensgrundlagen von Millionen Menschen zerstört.

Wohnen

Um Profite zu generieren, müssen alle Bedürfnisse und Güter des täglichen Bedarfs die Form von Waren annehmen, die gekauft werden können. Da immer mehr Profit entstehen soll, werden ihm auch Bereiche, selbst Grundbedürfnisse, unterworfen: Wohnungen, Gesundheit, Bildung. All dies wird nicht in erster Linie bereitgestellt, um uns Menschen zufriedenzustellen, sondern um Profite zu machen, sei es als Spekulationsobjekt, Ware oder Kapitalanlage. Steigende Mieten, mit denen wir in allen deutschen Großstädten konfrontiert sind, fressen einen immer größer werdenden Teil unseres Lohns auf – nur damit wir ein Dach über den Kopf haben. Bei steigenden Mieten in den Großstädten findet ein dauerhafter Verdrängungsprozess statt. Leute mit geringem oder mittlerem Einkommen können es sich kaum noch leisten, zentral zu wohnen. Sie sind genötigt in die Randbezirke auszuweichen, ihre angestammten Quartiere aufzugeben und längere Fahrtzeiten zur Arbeit, Schule oder Ausbildung in Kauf zu nehmen. Neu gebaut werden vermehrt „exklusive“ Eigentumswohnungen – schon im Namen steckt der gewollte Ausschluss. Gleichzeitig steht unheimlich viel Wohnraum ungenutzt – als reines Spekulationsobjekt – leer.

Erziehungs- und Hausarbeit

Es ist Fakt, dass die Mehrheit der Frauen in den meisten Berufen signifikant weniger Lohn erhalten als ihre männlichen Kollegen. Hinzu kommt, dass in der unentlohnten Haus- und Erziehungsarbeit, in sozialen und sogenannten helfenden Berufen (Erziehung, Soziale Arbeit, Altenpflege, Krankenhilfe etc.) und in gering qualifizierten Arbeiten der Anteil von Frauen nach wie vor überproportional hoch ist. Durch diese strukturellen Benachteiligungen und durch ihre erzieherische Rolle sind Frauen wiederum stärker gezwungen, prekäre Arbeitsverhältnisse anzunehmen. So wird von Unternehmerseite aus oft das Argument vorgebracht, dass die Risiken, die sich durch etwaige Schwangerschaften oder Erziehungszeiten, die den ArbeiterInnen gesetzlich zustehen, ein Schaden im Betriebsablauf entstehen könne. Solange der Kindererziehung als privates und nicht gesellschaftliches Anliegen angesehen wird, wird diese systematische Ungleichheit auch bestehen bleiben. Dies ist aber nur jenseits des Kapitalismus möglich, weil dieser neben der Ausbeutung der Lohnarbeit auf unbezahlte Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit angewiesen ist. Daran ändert auch formale Gleichstellung nichts.

Fluchtursachen

Heute sind weltweit ca. 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Ursachen sind vielfältig, lassen sich aber mit Elend, Hunger, Krieg, Naturkatastrophen und Perspektivlosigkeit grob zusammenfassen. Dass Menschen hierher zu uns flüchten, liegt daran, dass Wohlstand und Armut, Risiken und Chancen weltweit extrem ungleich verteilt sind. Profit geht hier sprichwörtlich über Leichen. Dieses Verhältnis aber entsteht nicht einfach von alleine, sondern wurde von den reichen und mächtigen Staaten, die für diese Entwicklung verantwortlich sind, geschaffen und aufrechterhalten, notfalls durch Krieg und Gewalt. Dafür wird die Bundeswehr aufgerüstet und zu einer weltweit einsetzbaren Armee umgebaut. Fluchtursachen wirklich zu bekämpfen heißt also, ein System zu bekämpfen, das trotz größtem Reichtum immer wieder zu Hunger, Krieg, Verelendung und Verwüstung ganzer Erdteile führt. Die massive Hetze hierzulande gegen geflüchtete Menschen lenkt vom eigentlichen Problem ab: dem System, sas diese Entwicklungen hervorbringt.

Politik?

Wir alle sind von klein auf an Politik in der Form von Parteien und Parlamenten gewöhnt. Wahlen sind der deutlichste Ausdruck davon: Alle paar Jahre tobt das Wahlspektakel. Wir geben unsere Stimme ab. Damit verlieren wir sie, denn weitere Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten besitzen wir nicht. Scheinbar besteht eine Alternative zwischen den verschiedenen Parteien, sie geben vor verschiedene Problemfelder abdecken zu können, seien es soziale, ökologische oder wirtschaftliche. In Wirklichkeit liegt die Macht bei der Wirtschaft, aber gerade die Wirtschaft als wichtiger gesellschaftlicher Bereich ist von demokratischen Entscheidungen ausgenommen. Die Politik setzt vor allem deren Anliegen um: Keine der Parteien vertritt unsere Interessen als Arbeiter und Arbeiterinnen, sondern alle Parteien vertreten die Interessen des Kapitals. Parteien wirken als Filter, damit alles so bleibt, wie es ist und wirkliche Alternativen verhindert werden können.

Wie wir gesehen haben, hat der Kapitalismus eine Situation herbeigeführt, der er selbst nicht gewachsen ist. Dieses Wirtschaftssystem gerät an seine Grenzen und das vorhandene Potential nicht in unserem Sinne anwenden. Es produziert immer neue Krisen, und die PolitikerInnen laufen den Krisenphänomenen dauerhaft hinterher und beseitigen sie nicht. Warum ist das so? Weil diese Krisen im System selbst liegen! Die PolitikerInnen, die uns „vertreten“ sollen, haben die Aufgabe, dieses System trotzdem aufrecht zu erhalten, von dem sie und die Unternehmer profitieren. Dazu setzen sie Polizei und Geheimdienste ein. Deshalb verteufeln sie alles Linke und Fortschrittliche. Deshalb die Aufrüstung, die Überwachungsmaßnahmen und die vielen Gesetzesverschärfungen. Damit sich nicht ändern kann, was sich so dringend ändern müsste. Um die Möglichkeiten wirklich zu nutzen, brauchen wir also nicht nur einen Politik- sondern einen Systemwechsel.

Politik!

Von alleine wird sich nichts ändern, sondern sich alles nur weiter verschlimmern. Wenn aber Parteien und PolitikerInnen unsere Interessen nicht wahrnehmen, wer dann? Die Antwort ist recht einfach: wir selber!

Wollen wir unser Recht auf Solidarität, Frieden, Gleichheit, ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung umsetzen, geht das nur ohne den Kapitalismus. Und es geht nur gemeinsam und kämpferisch. Indem wir uns unserer Interessen bewusst werden. Indem wir uns zusammen organisieren, auf der Arbeit, in den Stadtteilen, auf der Straße, um unseren Stimmen Ausdruck und Gewicht zu verleihen. Indem wir uns ihren Zumutungen verweigern, Nein sagen zu mehr Arbeit, Aufrüstung, Ausbeutung, Rassismus und Überwachung. Um selbst zu entscheiden und zu bestimmen, wie eine solidarische Wirtschaftsform aussehen soll. Um den technischen Fortschritt, den Reichtum, allen und nicht nur wenigen zugute kommen zu lassen.

Heute könnten wir längst selbstbestimmt und solidarisch leben: Die Produktion notwendiger Güter und die Zeit für Fürsorge und Pflege eigener wie der Bedürfnisse anderer könnten gesellschaftlich so organisiert werden, dass genügend Zeit für Selbstverwirklichung, Bildung, Kultur, Muße und Entspannung sowie für gemeinsame politische Gestaltung bleibt. Diese Möglichkeit ist real, diese konkrete Utopie ist der Sozialismus.

Radikal bedeutet, ein Problem von der Wurzel her anzugehen. Die Wurzel aller hier geschilderten Grundprobleme ist der Kapitalismus. Brechen wir mit ihm! Geschichte wird gemacht, noch von anderen, lasst sie uns selber machen, hier und jetzt.